Insulinom oder: Oh Gott, Sie krampft …..

…. mitten in der Nacht werde ich von Cosma geweckt. Sie drückt ihren kleinen Körper an mich, jammert leicht und ihre Augen suchen voller Panik mein Gesicht. Verschlafen und verwundert nehme ich sie in den Arm und versuche zu verstehen, was sie mir „sagen“ möchte.
Nach einiger Zeit fängt sie an zu zucken. Ihr Kopf schlägt immer wieder unkontrolliert gegen meinen Körper, ihre Beine fangen an zu „zappeln“, ihr Blick ist leer. Das Maul geöffnet und schäumend, unkontrolliert nässt sie sich ein und ihre Beinchen strecken sich stramm durchgedrückt in die Luft. Alles an ihr ist eine einzige Verkrampfung, ein einziger Albtraum. Sie krampft…..

Ich halte sie fest im Arm und fühle mich hilflos. Meine innere Stimme sagt immer wieder wie in einem Mantra zu mir: „Sie spürt davon nichts, sie hat keine Schmerzen…“ So habe ich es immer wieder gelesen und gehört. Hunde die krampfen bekommen davon nichts mit.
Bitte lieber Gott lass es so sein….
Ich schau auf die Uhr und versuche mir zu merken, wie lange dieser Albtraum anhält.
Mein Mann ist genauso geschockt wie ich. Ich höre ihn immer wieder sagen: “ Das ist ja furchtbar. Oh Gott, das ist ja furchtbar…“

Nach langen 5 Minuten ist dieser Albtraum vorbei. Cosma wird ganz ruhig. Ihre Zunge hängt ihr aus dem Maul, ihr Körper ist erschlafft, sie riecht nach Krankheit und liegt schwer in meinem Arm. Sie schaut mir ganz ruhig und klar in die Augen. Ich habe sie wieder, dachte ich nur. Was für ein Glück das sie wieder da ist, dass sie es geschafft hat, diesen Albtraum durchzustehen! Da liegt sie nun in meinem Arm und ich bin so unglaublich erleichtert.

Mein Mann ruft in der TK an und schildert das eben Erlebte. Wir sollen nach Norderstedt in die TK fahren, da könnte man uns in „diesem Fall“ am besten helfen.
Behutsam wickeln wir unsere noch immer schlaftrunkene und erschöpfte Cosma in eine weiche, warme Wolldecke. Ich setze mich in unser Auto, nehme Cosma auf den Schoß und halte sie die Fahrt über ganz fest. Matthias fährt uns durch die dunkle Nacht, wie gut das er da ist .

Es war ganz ruhig in unserem Auto. Nur die Geräusche des laufenden Motors und die Stille der Nacht.
Cosma lag schwer und ruhig auf meinem Schoß. Ich dachte, nun geht sie doch noch …
„Matthias, ich glaube sie stirbt,“ dass habe ich zu meinem Mann gesagt. Weinend und voller Liebe fuhren wir durch die Nacht.

In der Klinik angekommen kamen wir sofort an die Reihe. Ich musste Cosma der wirklich freundlichen Tierarzthelferin übergeben. Sie wollten schnell einen Zugang legen, bevor Cosma noch einmal anfangen würde zu krampfen. Diese Abgabe von Cosma an die TA Helferin war eigentlich für mich nicht machbar. Es fühlte sich an, als gäbe ich sie weg…. Schrecklich!
Zum Glück konnte ich nach dem Ausfüllen der Formulare mit in den Behandlungsraum. Cosma hatte inzwischen einen Zugang gelegt bekommen und sah etwas verloren aus auf dem TA Tisch in diesem weiß gefliesten Praxisraum.
Die Tierärzte konnten erst einmal nichts für uns tun und mussten sich um andere ständig eintrudelnde Notfälle kümmern. Sie ließen uns in dem Raum alleine und sagten, wir sollten rufen, wenn es wider los gehen sollte mit dem Krampfen.

Da saß ich nun mit meinem Hund. Ich habe sie vom Tisch gehoben und mich mit ihr zusammen auf den Boden gesetzt. Neben Metallstuhl, Mülleimer, angelehnt an weiße, kalte Fliesen, mit piepsenden Monitoren im Hintergrund, hockten wir zwei da auf dem Fußboden.
Ich hoffte inständig, dass das nicht ihre letzten Augenblicke auf dieser Welt sind. Was für ein trostloser, liebloser Raum für so einen Moment. Mein Mann durfte uns nicht begleiten. Die Corona Auflagen ließen das nicht zu.  Er wartete im Auto auf uns. Wie gut zu wissen, dass er da Draußen war. Ein Stück Heimat vor der Tür ….

Nach 1 Stunde wurden wir entlassen. Eine Diagnose gab es nicht. Nichts war feststellbar. Alle Vitalparameter waren in Ordnung, Blut unauffällig, Cosma ohne weitere Krämpfe.
Die Ärztin meinte jedoch, dass sie es sich nicht vorstellen kann, dass ein Hund mit über 9 Jahren plötzlich anfängt zu krampfen. Es muss eine Ursache geben!
Wir bekamen einen Termin zu einer MRT Untersuchung und ein Notfall Medikament, falls Cosma noch einmal krampfen sollte.

Schweigend und erschöpft fuhren wir drei wieder nach Hause. Wir reinigten unser Bett, beruhigten die zu Hause wartenden Hunde, und versuchten zu schlafen um das Erlebte zu verarbeiten. Immer mit der Angst im Nacken, dass es wieder losgehen könnte. Zum Glück schlief Cosma die ganze Nacht erschöpft und ruhig zu unseren Füßen in unserem Bett.

Von dieser Nacht bis zum MRT Termin war es genau 1 Woche.
1 Woche, in der Cosma in fast jeder Nacht krampfte oder wenigstens stark zitternd neben mir lag. Nie wieder so schlimm wie in unserer ersten Nacht ( Gott sein Dank! ), jedoch jede Nacht und immer in den sehr frühen Morgenstunden.

Matthias und ich wurden zu Experten dieses Geschehens.
Wie gut, dass ich so unglaublich viel Zeit hatte. Corona bedingt stand hier vieles einfach still.
Wie gut, dass Matthias glücklicher Weise Urlaub hatte.
Wie gut auch, dass Loki nicht tragend war. Dass hätte unsere Kräfte gesprengt
Wie gut, dass ich Geld auf meinem Sparbuch hatte. Allein das MRT sollte 1.200 Euro kosten.

Dann war er endlich da „unser“ MRT Termin. Nichts ist schlimmer als zu warten und nicht zu wissen was eigentlich los ist. Eine Diagnose, so hart sie auch sein mag, ist immer besser als diese Ungewissheit.
Zum MRT Termin sollte Cosma nüchtern sein. Wir sollten um 11.00 Uhr in Norderstedt sein, das Ganze sollte ca. 2 Stunden dauern und das Ergebnis sollten wir schon am nächsten Tag erhalten.

Die Nacht vor unserem Termin war wirklich gruselig. Wieder krampfte unsere Maus und sie lief morgens wie „besoffen“ und konnte kaum geradeaus laufen. In der Klinik angekommen, verschlimmerte sich die ganze Sache. Die Ärztin schaute ganz besorgt auf unseren Hund und ich bestand darauf, dass der Blutzucker von Cosma gemessen werden sollte, bevor sie sie in Narkose legten.
Woher auch immer diese Eingebung bei mir kam ….. Ich weiss bis heute nicht, warum diese Worte aus meinem Mund purzelten. Mit Blutzucker hatte ich mich noch nie beschäftigt. Verrückt!!
Zum Glück ging die Ärztin auf meine Bitte ein. Cosmas Blutzucker war erschreckend niedrig. Eigentlich, so die Ärztin, könnte kein Hund mit so einem Blutzucker überhaupt überleben.
Cosma bekam Cortison intravenös. Das hebt den Blutzucker.
Mit diesem Befund hatte die Ärztin einen sich neu auftuenden Verdacht und wandelte den MRT Termin in einen CT Termin um. Und dann, nach langen 2 Stunden des Wartens, hatten wir die Diagnose: Cosma litt an einem Insulinom, einem Insulin produzierenden Geschwür an der Bauchspeicheldrüse!
Da hat er nun ein Gesicht bekommen „unser Feind“. Trotz der Härte dieser Diagnose war ich unendlich erleichtert. Wenn man weiss was es ist, dann kann man handeln!

Die Ärztin riet uns zu einer OP um den Tumor zu entfernen.
Sie sagte jedoch, dass die meisten Insulinome erst dann Beschwerden machen, wenn der Tumor schon gestreut hat. Trotzdem riet sie uns zu einer OP, da die Insulin Produktion dann erst einmal wieder reduziert werden würde und Cosma noch eine realistische Chance hat auf ½ – 1 Jahr ohne Beschwerden. Der OP Termin wurde auf den 7 Januar festgelegt.
Bis dahin bekam Cosma täglich Cortison, min. 4 Mahlzeiten am Tag und strenge „Bettruhe“.
Des Weiteren sollten wir uns ein Blutzucker Messgerät in der Apotheke besorgen, und regelmäßig den Blutzucker kontrollieren.

Wir feierten Weihnachten, wir feierten Sylvester und wir kamen alle zur Ruhe. Cosma krampfte nicht mehr. Auch schwankkte sie nicht mehr beim Laufen. Alles entspannte sich und es kam Ruhe in das Erlebte. Je mehr Zeit verging, desto mehr sträubte sich alles in mir Cosma operieren zu lassen. Durch den Tipp einer lieben Bekannten, holte ich mir eine zweite Tierarztmeinung bei Fr. Dr. Jötzke in HH Lokstedt ein.

Was für ein Glück das wir den Weg zu Fr. Dr. Jötzke gegangen sind!
Sie schaute sich die CT Bilder aus der TK Norderstedt noch einmal ganz genau an und erkannte auf den Bildern, dass bei Cosma tatsächlich das Insulinom schon gestreut hatte. Sie entdeckte neben dem Insulinom noch zwei weitere Tumore in der Leber. Beide Tumore in der Leber lagen an operativ ungünstigen stellen und waren auch schon weit entwickelt.
Die Entfernung des Insulinoms hätte mit diesem neuen Befund für Cosma keine Erleichterung gebracht. Die Tumore in der Leber hätten die Insulinproduktion übernommen und weiterhin den Blutzucker zum Abstürzen gebracht.

Von der Diagnose bis heute sind nun 4 Wochen vergangen.
Cosma geht es gut – und uns geht es auch gut.
Wir leben nun mit dieser neuen Situation. Cosma bekommt tagsüber alle 3 Stunden etwas zu essen. Zwei Mal in der Nacht übernimmt ein Futterautomat die Fütterung von Cosma.
Sie bekommt ¼ Cortison am morgen und wir achten gut darauf, dass wir Cosma durch ein zu viel an Bewegung nicht in die Unterzuckerung schicken.

Cosma hat nicht mehr gekrampft und sie schwankt auch nicht mehr. Sie freut sich über die regelmäßigen Fütterungen und genießt es sichtlich, dass wir sie mit vollem Genuss maßlos verwöhnen.  Sie darf alles und alles was sie macht finden wir großartig. Sie liebt ihren Futterautomat und genießt ihre gemütlichen Spaziergänge durchs Dorf.  
Ich würde sagen, es geht ihr wirklich gut. Und uns geht es auch gut!
Matthias steckt all seine Kraft in die Herstellung von „Krebsabtötenden Kräutersuds“ nach indianischem Rezept und dem Bestellen sämtlicher Pulver zur Immunstärkung die es auf dem Markt so gibt. Fast täglich bringt unsere Postbotin ein neues Paket mit heilenden Kräften.
Cosma frisst alles anstandslos. Matthias steht glücklich neben der fressenden Cosma, ins geheim voller Hoffnung, dass der Krebs durch seine Kräuter auf wundersame Weise verschwindet. Ich für meinen Teil hätte da natürlich durchaus nichts dagegen, bin leider doch eher zweifelnd, dass so ein Wunder dann wirklich eintritt.

Für mich hat diese neue Situation den Vorteil, dass ich mich hemmungslos hingeben kann, in das Verwöhnen meines Hundes. Es macht mich glücklich sie zu füttern, es macht mich glücklich, wenn sie tief durchatmend auf meinem Schoß einschläft und es macht mich glücklich zu wissen, diesen letzten Weg nun ganz intensiv gemeinsam mit Ihr gehen gehen zu können.

Wenn es irgendwann nicht mehr gehen sollte, dann nehme ich sie in den Arm und begleite sie auf ihrem letzten Weg. Ich werde ihren kleinen schwarzen Körper streichelnd und halten. Ich bin mir ganz sicher, dass Sterben nicht das Schlimmste ist. Schlimm ist ein Leben voller Leid. Ich hoffe ich habe einen wachen Blick zu erkennen, wann sie lieber gehen möchte. Bis dahin genießen wir unsere gemeinsame Zeit in vollen Zügen!

Und für alle, die die Zeichen eines Insulinoms früh erkennen möchten hier noch mal eine kurze Zusammenfassung von Cosmas Symptomen.

Seit ca. 1 Jahr war uns aufgefallen, dass Cosma sich verändert hat. Sie war noch bequemer als sie es sowieso schon immer war. Bei Spaziergängen lief sie, nach anfänglichen freudigem Gehüpfe, gerne nur noch hinter uns her. Uninteressiert an all den Dingen, die es so als Hund auf Spaziergängen zu entdecken gab.
Ihr Fell wirkte „Struppig, stumpf“ und sie „torkelte“ beim Laufen manchmal etwas unsicher, man könnte fast denken sie wäre betrunken.
Des Weiteren hatte Sie IMMER Hunger und schnappte regelrecht nach hingehaltenen Hundekeksen. Mehrmals „hackte“ sie mir dabei in die Finger. Oft schien sie auch etwas unsicher und ängstlich zu sein. Das Überqueren von glatten Untergründen wurde für sie zu einer echten Herausforderung.  Auch undefinierbare Geräusche ließen sie schreckhaft aufhorchen, dass kannte ich so gar nicht von Ihr. Cosma war immer ein echt „taffer“ und unerschrockener Hund.
Auch fand ich, dass sie oft „abwesend“ irgendwo saß und stark hechelte. Überhaupt saß sie viel, gerne irgendwo gegen eine Wand gelehnt, den Kopf herunterhängend und hechelnd.

Wir ließen sie mehrfach tierärztlich untersuchen. Immer ohne Befund.
Die Blutwerte waren bestens und sie machte beim TA stets einen guten Eindruck.

Zwei Tage vor ihrem Krampfanfall wurden Cosma`s  „Schwank Anfälle“ und ihre Schlappheit schlimmer. Sie wirkte beim Spaziergang wie eine Betrunkene, schlief zu Hause komatös ein und schlang alles Essbare gierig in sich hinein, ohne auch nur „geruchlich“ zu prüfen, was sie da eigentlich in sich hineinschlang.

Insulinome kommen meist bei Hunden vor, die älter sind. Der schwankende, betrunkene Gang nach oder bei Anstrengung ist sehr typisch! Hunde mit Unterzuckerung sind oft ängstlich und schreckhaft.
Auch „zittern“ Hunde mit Unterzuckerung gerne nach Anstrengung oder bei Entspannung.
Der Blutzucker kann am Besten gemessen werden, wenn der Hund nüchtern ist. Ansonsten ist die Unterzuckerung als bestes Indiz für ein Insulinom eher schlecht zu erkennen.